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so faengt kein roman an
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so faengt kein roman an

neulich war ich auf der entbindungsstation. ich sollte für eine freundin die geburtsurkunde ausfüllen. sie wollte ihr kind, es war ein mädchen, julia nennen. die krankenschwester schaut mich gelangweilt an. 'julia gibt es schon. frei sind z.B. noch julia78493 oder jul782ia oder julialialia'.

neulich besuchte ich einen kurs für den umgang mit visitenkarten und namensschildern.

man glaubt gar nicht wie viele geschäfte nicht zustande kommen durch den falschen umgang mit visitenkarten und namenssschildern. diese so genannten paper skills entscheiden über erfolg und misserfolg von milliarden umsätzen.

die entscheidenen faktoren sind timing, timing, timing. es gibt nichts peinlicheres als seine visitenkarte zu früh herauszuholen um sie dann mit einem verkrampften lächeln dem gegenüber aufzudrängeln. aber auch ein zu spätes ziehen der karte kann als unhöflich, ja arrogant ausgelegt werden.

es ist wie beim sex. wer zu früh kommt oder zu spät, der hat versagt. gleichzeitiges kommen ist ein garant für fruchtbare zusammenarbeit.

ob sich der akt des austauschs von persönlichem überhaupt lohnt, zeigt ein blick auf das namensschild. allerdings ist es mehr als irritierend, wenn der gegenüber einem 10 sekunden auf die brust starrt, während dieser weiter angestrengt zuhört. man kommt sich vor, wie eine etwas zu teure damenhandtasche im schaufenster.

um diesen schrecklichen pauxpas des zuhörers zu vermeiden gibt es verschiedene möglichkeiten. entweder man schielt von natur aus, oder ist wenigstens nur brustgroß. die anderen müssen die aufmerksamkeit des gegenüber gezielt vom eigenen blick ablenken. ein gezielter blick auf die nächste hostess kombiniert mit einem dramatischen zusammenkneifen der augen wirkt immer.

oder man fragt einfach nach dem namen. in der überzeugung der gegenüber ist sowieso apathisch langsam, sieht man ganz gezielt auf dessen schild. minimum 10 cm abstand.

wenn dann nicht CTO oder CEO oder GF oder sowas ähnliches zu lesen ist dann sollte man sich überlegen, welche potentiellen kontakte dadurch verschenkt werden.

das anbahnungsverhalten ist ganz ähnlich dem des flirtens. nur dass die frauen ihr namensschild vor sich hertragen.

neulich hatte ich eine komplette geistige amnesie. ich hatte keine ahnung wer ich bin, wo ich her komme oder wo mein zu hause ist. alles was ich bei mir fand war ein kleines silbergraues telefon. es hatte kleine kratzer mitten auf dem display. ärgerlich, sonst wär es noch was wert gewesen. hatte ich mich nicht schon mal darüber geärgert?

das da war mein handy. kein zweifel. und es war die einzige verbindung zu meinem alten leben. telefonnummern, sms, organizer, notizen und mp3s. mein kulturelles gedächtnis auf einen chip geflascht.

aber höre ich wirklich die h-blocks? naja, warum nicht. die gespeicherten radio sender versöhnen mich wieder. die 200 telefonnummern mit mädchen- und frauennamen machen mich nervös. die sms sind das reinste daumenkino. daumenkino, ha.

der organizer zeigt mir termine eines typischen single-berliners mit einem ausgeprägten nachtleben. schön. zu langweilen brauche ich mich also nicht. fehlt nur noch geld. war ich etwa so blöd unter 'ec' meine bank-pin zu speichern? ja. tatsächlich. wie leichtsinnig.

unter gesendete objekte finde ich einen männlichen vornamen. im addressbuch gibt es den passenden wohnort dazu. oh, in karlshorst wohne ich also.

überwältigt von soviel wiedergewonnener bodenhaftung beschließe ich meine eigene überraschungsparty zu organisieren. ich sende an rund 500 leute eine sms mit einer einladung in mein penthouse. nicht ohne zu erwähnen, ich würde mir mal wieder mehr zeit für sie bzw. ihn nehmen wollen. die ec karte hatte nichts dagegen den käfer partyservice aus wien einzufliegen.

erwartungsfroh warte ich auf meine gäste. der empfang ist mehr als kühl. keiner scheint mich wiederzuerkennen. ganz offensichtlich sind die gäste mehr mit sich selber beschäftigt. viele haben sich lange nicht gesehen und waren wohl auch froh darüber. ein paar frauen waren sogar sehr überrascht sich gegenseitig zu sehen.

eine nette wendung nahm der abend, als ein etwas zerstreut wirkender, aber gut gekleideter single-mann erschien. ungerechter weise wurde ihm sofort alle aufmerksamkeit zuteil. dann wurde es etwas unübersichtlich. erste torten flogen, dann die flaschen. don perignon war auch dabei.

am ende stand da ein sehr derangierter mann in einem sehr derangierten haus der so verzweifelt aussah als hätte er gerade alle seine freunde verloren und wär dazu gerade pleite gegangen.

um ihn aufzumuntern spielte ich ihm eine musik auf meinem handy vor.

von den h-blocks.

 

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